Abschied von Onkel Achim
Das Gleichnis der Emmaus-Jünger hatten Onkel Achim und Tante Maria bereits bei ihrer Goldhochzeit als Evangeliumstext ausgewählt. Es war wie ein Leitmotiv zu seinem Leben und das Vermächtnis eines Glaubenden. So wie im Krieg ihn die Nachrichten vom Überleben seiner nächsten Angehörigen erreichte, so erreichte auch die Nachricht seiner Heimkehr aus der Gefangenschaft die Liebsten. Und wie bei Lukas müssen sich auch ihm wieder die Augen geöffnet haben, trotz vielerlei erlittenen Leids den Schöpfer an seiner Seite zu wissen. In Lukas 24 heißt es:
29 Und sie nötigten ihn und sprachen: Bleibe bei uns; denn es will Abend werden und der Tag hat sich geneigt. Und er ging hinein, bei ihnen zu bleiben. 30 Und es geschah, als er mit ihnen zu Tisch saß, nahm er das Brot, dankte, brach's und gab's ihnen. 31 Da wurden ihre Augen geöffnet und sie erkannten ihn.
Am Anfang des Weges seiner Familie stand das Hohelied der Liebe aus dem 1. Korintherbrief, 13. Es begleitete unsere Tante und Onkel auf ihrem über ein halbes Jahrhundert währenden Lebensweg.
Und sie mag unseren lieben Onkel zeit seines Lebens getragen haben.
Sein Sarg stand im Altarraum der Kirche, die seit 40 Jahren seine Heimat war, schräg der Krippe zugewandt, die er noch wenige Tage zuvor andächtig betrachtet haben wird. Von einem Portrait schaute er gütig auf die Trauergemeinde.
Noch einmal erklangen Lieder und Gebete, die ihn auch in der Stunde seines Todes begleitet hatten.
Ubi caritas et amor
Deus ibi est.
Wo Güte ist und Liebe,
da ist Gott.
Auch dieses Gebet, das in den Bänken verhalten mehrstimmig erklang, verströmte die gläubige Hoffnung, die den Hinterbliebenen Trost spenden sollte in der Aufrichtigkeit und Festigkeit, die wir an ihm schätzten, in der Bescheidenheit seines Auftretens, das keine großen Gesten kannte.
Nun, nach diesem langen Leben, das mit dem Ende seiner beruflichen Tätigkeit noch einmal im neugierigen Nachholen verpasster Lektüren und Reisen bestand, der seinen Töchter bei der geschichtlichen Spurensuche half, ihre Bücher und Ausarbeitungen las und mit seiner lieben Frau seinem Sohn die Freude an der schulischen Wissensvermittlung weitergab.
Und sicher hätte er ohne seine Ausstattung als gläubiger Christ nicht zu hoffen gewagt,nach vielen verlorenen, wertvollen Jahre seiner Jugend noch das Glück einer großen Familie erleben zu dürfen.
Ein stattlicher Zug von Trauernden seiner großen Familie, begleitet von vielen langjährigen Weggefährten seiner Nachkriegswahlheimat Recklinghausen setzte sich von der Kapelle des Nordfriedhofs in Bewegung. Der weiße Schneemantel ließ wie ein weiteres Hoffnungszeichen Licht aufstrahlen, während das Kreuz voran den Weg wies.
Die Familie am Grab begleitete ihn als er der Erde zurückgegeben wurde, warf Erde, Blüten und ein gemaltes lachendes Herz in die Erdgrube und nahm Abschied von seinem irdischen Leben.
Und nun am Ende unseres Geleits stand uns der Schlusssatz aus dem 1. Korintherbrief 13 vor Augen: