Dienstag, 12. Januar 2010
Joachim Sch. 1920 - 2010
Traurig habe ich die Nachricht vom Tod Onkel Achims aufgenommen. Schade, dass ihm die Freude, die er sicher am kleinen gesellschaftlichen Ereignis seines 90. Geburtstages gehabt hätte, nicht mehr vergönnt war.
Und dennoch war es ein Geschenk, dass er trotz der verlorenen Kriegsjahre noch so viel vom Leben bekommen hat. Für mich war Onkel A. die Mitte der Familie Sch., ein lebendiger Zeitzeuge einer Zeit und Prägung, die wir nur aus den Geschichtsbüchern kennen. Dass ausgerechnet er, der Älteste der Geschwister so viele Jahre bekam und auf eine so lange Epoche zurückblicken konnte, war ein wunderbares Geschenk, auf das er im Krieg und in der Gefangenschaft nicht hoffen durfte.
So denke ich sehr traurig heute daran, dass er gestorben ist und zugleich dankbar, für die vielen großen Momenten die er unserer Familie in der Bescheidenheit seiner Geste beschert hat.
Ein kleiner Nachruf auf unseren lieben Onkel, Bruder, Ehemann,Vater und Großvater, dessen Leben im Durchgangslager Friedland (unser Bild oben) im Mai 1949 noch einmal begann:
In der Familie war er der letzte Angehörige, der die Schrecken des Dritten Reichs, Vertreibung aus der Heimat, Einsatz als Soldat und Kriegsgefangenschaft als junger Mensch erlebt hatte. In einem Alter, in dem man sich anschickt die Ausbildung fortzusetzen und eine Familie zu gründen, befand er sich in einer Kriegsgefangenschaft, deren Ende nicht absehbar war und wie eine Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln erscheinen musste.
Und doch schien der Hergott ihm diese geraubten Jahre im Alter zu schenken. Der Abschluss der Ausbildung, eine liebe Frau und drei Kinder wurden ihm zuteil.
Als Kinder erlebten wir ihn als beredten, gebildeten Onkel, der als Rektor einer Hauptschule schon immer ein hohes Maß an Engagement vorlebte. Selbst für uns junge Nichten und Neffen war es spannend, seinen Erzählungen zu lauschen. Im Alter überraschte er uns - angeregt durch das schriftstellerische Engagement seiner jüngsten Tochter - mit einer anschaulichen Schilderung seiner Gefangenschaft, einem unschätzbaren Familienzeugnis. Später kam noch eine Schilderung des Lebens in Schlesien dazu, die ich verschlang.
Auf Familienfeiern, zu fröhlichen wie traurigen Anlässen wusste er mit wohl gesetzten Worten Ehrungen und Würdigungen zu formulieren. Bescheiden in der Geste, aber wortmächtig und gehaltvoll, so dass das Gesagte noch lange nachklang.
Mit Onkel A.'s Tod endet eine Ära, die ihre Wurzeln noch in der Kaiserzeit fand und die Wandlungen der Gesellschaft umfasste. Das bindende Element war hierbei sein tiefer Glaube, der ihn bei allen verzweifeln machenden Wirrungen eine sichere Orientierung gegeben hat.
Und so können wir in der sicheren Annahme von seinem irdischen Leben Abschied nehmen und sicher sein, dass er in diesem festen Glauben von uns geschieden ist.
Möge er in Frieden ruhen und uns so weiter lebendig bleiben!