Freitag, 26. Februar 2010

Vor fünf Jahren: Om(mm)as Beerdigung














B

ruchhausen am Tag von Om(mm)as Beerdigung lag unter einer friedlichen Schneedecke. Die Wolken hingen tief und die Bruchhauser Steine, diese markanten Naturdenkmäler, waren nicht zu sehen.

Christine parkte ihr Auto vor der alten Schmiede, die heute Tante Elfriedes Geschäft beherbergt, zwischenzeitlich aber auch schon Sparkasse war. Bei Tante
Elfriede, in Om(mm)as altem Haus, versammelte sich ein Teil der Trauergemeinde.

An der Haustür war noch Om(mm)as Klingel angebracht, trotz ihres Wegzugs vor fast zwei Jahren. Ich ging nach oben in ihre alte Wohnung, die Karin gerade für ihre Zwecke umbaut. Sie war nur noch im Grundriss zu erkennen. Die Wände vom Putz befreit, ließen die Baustruktur des Hauses sichtbar werden, Mörtel, Stroh, Ziegel und Lehm. In der alten Küche kamen die alten Dielen zum Vorschein, wie sichtbar gewordene Jahresringe einer Baumscheibe. Jede Schicht stand für eine Zeitepoche aus Om(mm)as Leben.

W

ie oft hatte Om(mm)a in ihrer Küche ihre Enkel bekocht, Gäste bewirtet, so wie in den Nachkriegsjahren ihre fünf Söhne. Links von der Tür stand der Küchenschrank, auf ihm lag der Züchtigungsstock bereit, um in den Zeiten pubertierenden Aufbegehrens die „Blagen“ im Zaum zu halten. Meist war dies nicht nötig, denn Om(mm)as Tage waren geordnet und ließen jeden zur Entfaltung kommen. Die Elleringhäuser und Kölner erfuhren dies regelmäßig in den Ferien, wenn Sie die Ferienwochen bei Om(mm)a verbrachten. Om(mm)a lies ausschlafen, aber immer mit dem Hinweis, dass dies bis halb sieben gelte, denn um 7 waren wir mir ihr in der Frühmesse. Wenn Sie am Abend zuvor den Hinweis darauf vergessen hatte, schaute sie rechtzeitig ins Schlafzimmer hinein, um „nachzufragen“, ob wir schon wach seien und da wir es dann waren auch gleich zur Kirche mitnahm. Als Belohnung gab es nach der Kirche Brötchen, doch mussten wir um eine Bevorzugung eines Bäckers zu vereiden, regelmäßig zwischen Bäcker Wiese und Bäcker Schröder abwechseln. Om(mm)a holte in der Zwischenzeit bei Mertens Milch in der Blechkanne, der kuhwarm mit Krümelkakao von „Bockes“ angerührt wurde. So geistig und körperlich gestärkt durften wir nach Elleringhausen, wo zwischen Unimog und Kälberstall die waren Abenteuer stattfanden. Punkt 12 erwartete Om(mm)a uns zum Mittagessen zurück. Nach dem Essen war Mithilfe in der Küche allerdings nicht erwartet, vielmehr gebot Om(mm)a, dass wir uns auf Sofa machen sollen („Mach dich lang!“) und bisweilen nahmen wir das Angebot an.

Tröstlich, dass aus Om(mm)as alter Küche wieder eine Küche entsteht. Der Blick von dort auf Straße und Steine, auf ankommende Besucher und früher auf Kunden der Schmiede, war ein willkommener Zeitvertreib.

D

ie Glocken von St. Cyriakus "kleppten", letzter Aufruf zur Begräbnismesse von Om(mm)a und früher letzte Chance, den Gottesdienst im Eilschritt noch rechtzeitig zu erreichen.

Die Familie versammelte sich im Hauptschiff. Die zweite und dritte Bankreihe, in der Om(mm)a Jahrzehnte treu saß, war mit Söhnen und Schwägerinnen, Enkel und Urenkel besetzt.

Die Messe las Bruder Andreas Waltermann, langjähriger Feriengast von Tante Hildegard und Onkel Alfons, der zu vielen S### und eben auch zu Om(mm)a seit Jahrzehnten Kontakt gehalten hatte. Aus Salzburg hatte er die lange Reise auf sich genommen. Johannes und ich trugen die Lesung vor, Gabi und Christine die Fürbitten.

Die Kirche war gut besetzt. Viele bekannte Gesichter, die mich ebenfalls über dreißig Jahre begleitet haben, erkannte ich wieder.

In der Lesung aus dem 2. Korintherbrief hieß es: "Wir wissen, dass... "

Für das Evangelium hatte Bruder Andreas das nicht sehr einfache Gleichnis vom anvertrauten Geld ausgewählt (Mt 25, 14-30). Dort heißt es: Du bist im Kleinen ein treuer Verwalter gewesen; nimm teil an der Freude des Herrn.

Auch Om(mm)a war als Mensch nicht immer einfach, aber ganz sicher galt für sie, dass sie ihre Gaben und Fähigkeiten im überreichen Maße genutzt hat und den Zurückbleibenden viel hinterließ an guten Gaben. Bruder Andreas erinnerte daran, dass Om(mm)a nicht nur arbeitsam war, sondern an alle dachte und für sie betete. In ihrem letzten Brief an Andreas im Dezember 2004 schrieb sie, dass auch er, Bruder Andreas, einen schwierigen Beruf ausübe und das Gebet der Oma brauche und das wolle sie tun.

Nach dem Schlussgesang versammelte sich die Gemeinde am Fuße der Kirche. Ein langer Zug setzte sich durch das Dorf Richtung Friedhof in Bewegung. An der Spitze das Kreuz, Kerzenträger, die Messdiener mit Bruder Andreas, die Trauergemeinde, Frauengemeinschaft und Ordensschwestern, die den schmerzhaften Rosenkranz beteten.

D

ie Gräber des Friedhofes waren unter einer dichten und hohen Schneedecke fast verschwunden. Sie Spitzten der Grabsteine ragten hervor. In der Trauerhalle ein Eichensarg, mehrere Kränze. Das Grab, am südlichen Ran des Kirchhofs gelegen, lag entgegengesetzt zu den Kriegsgräbern, wo auch für Om(mm)as verstorbenen Mann ein Gedenkstein errichtet steht.

Der Sarg wurde hinabgesenkt und ein letztes Mal kam Bewegung in die Trauergemeinde. Doch auch in dieser kalten Erdgrube wusste man Om(mm)a gut aufgehoben. Sie war von dieser Erde gegangen, wie sie sich es immer gewünscht hatte: Vorbereitet, ohne Last für die Zurückgebliebenen und ohne Schmerzen. Dass sagte sie Birgit. "Ich gehe jetzt tot" In den Tagen bevor sie sich im Bett zur Ruhe legte, hatte sie noch einige letzte Briefe geschrieben. Als die Kraft aus ihrer schreibenden Hand schwand, erlosch auch ihr Willen am irdischen Leben. Und in einer Woche zwischen Erde und Himmel mag sie sich mit dem Gedanken eines Lebens danach vertraut gemacht haben. Robert brachte eine von Om(mm)as Sehnsüchten auf den Punkt: Nun ist sie wieder bei ihrem Richard!

Zwischen den Schneewällen der Räumdienste ging es zum Nachmittagskaffee. Die große Runde, in der Ommmma ihre Geburtstage gefeiert hatte, versammelte sich und tauschte Erinnerungen. Von ihrer Generation war niemand vertreten, Om(mm)a hatte viele überlebt.

W

as bleibt? Am Ende blieb von Om(mm)as persönlichen Dingen nur noch das, was in den Kleiderschrank passte, ihr blaues Kostüm, eine weiße Bluse für die Festtage, der Inhalt einer Schublade mit Schreibpapier, Briefmarken, ein Bücherregal, ein paar Familienfotos, Gebetshefte auf dem Nachttisch. Alte Briefe, Fotos hatte Papa bei der hastigen Wohnungsauflösung in Bruchhausen vor zwei Jahren gesichtet und an sich genommen. Om(mm)as Zimmer im Marienheim war noch für einen Tag Abschiedsstätte, dann wurde auch dieser letzte Ort "geräumt" Ihre Gebetbücher, die sie über Jahrzehnte begleitet hatten und aus denen sie uns vorbetete, wurden dem Marienheimfundus zugefügt, wo sie nun Kraftquelle für Andere sein mögen.

Ommmma wird für uns Enkel vor allem in Erinnerung bleiben als gottesfürchtiger, zuversichtlicher Mensch, der mit seinen Mitteln jeden, der wollte mit allem ausstatten konnte, was er zum Leben braucht: Glauben, Haltung (Innere, wie Äußere), Frömmigkeit und eine gute Handschrift.

Om(mm)a ruht im Frieden. Andere werde ihre Aufgaben hier auf der Erde übernehmen.

M### J. S#####, im März 2005.