Dienstag, 20. September 2016

Monte Zughero oder gib dem Affen Zucker

Es gibt verschiedene Wege den rosafarbenen Granitsteinhaufen Monte Zughero zu besteigen. Entweder von Baveno in einem strammen steinigen Fußmarsch oder via einer Seilbahn vom Ort Stresa aus. Das machten wir und das war der Anfang vom Ende, jedenfalls meinem.

Stresa ist ein von englischen Zuckerbäckern erfundener italienischer Seebadeort, die vor über 100 Jahren ihre bescheiden ästhetische Architektur an das Seeufer gekippt haben, statt sich auf Brighton zu beschränken. Das Gesamtesemble spiegelt in etwa den Zustand Britaniens nach dem Brexit wider. In übertriebenen barockisierten Bauten sammeln sich mit übergroßen Markenabzeichen gekleidete indezente geldwaschende Menschen auf einer deplatziert an einer vom
Hauptverkehr beschallten Uferstraßenterasse und blicken nur scheinbar auf denTourismusplebs hinab. Hat man den Wanderzirkus an Angeboten in Riesenslalommanier bewältigt, begibt man sich an der Promenade zur angejahrten Seilbahn, deren Baulichkeiten auch einer oberflächlichen Sichtprüfung durch den TÜV sicher kaum eine Minute standhalten dürfte. Wir gondelten nach Oben und landeten in der örtlichen Skipistenvorhölle, einem alles in allem von aus Freizeitparks vor Jahrzehnten  entsorgten Vergnügungsatraktionen zugestellten Ex-Gipfels, der im Übrigen von den Sendeanlagen wohl aller italienischen Mobilfunkunternehmen belegt war. Mehrere am Boden liegende und niedergewalzte Wanderschilder zeugten von der einstigen Idee, auch Schusters Rappen einen Weg hier zu bahnen. Allein der imposante Blick auf die Schweizer Bergwelt konnte die Szenerie retten, wirkte aber angesichts der Unstände nicht glaubhaft, ja sogar unangemessen bis beschämend. Aber was können die Berge dafür, die waren früher da?

Doch etwas außerhalb des Radius' freizeitbeschuhter Seilbahnwanderer, tat sich ein Wanderpfad auf, der nach einer knappen Dreiviertelstunde zu einem Refugio führte, an dem einladend frisches Bergwasser plätscherte und zu dem zu allem Überfluss der örtliche CAI-Patron aus dem Tal gerade eintraf und das gastliche Haus öffnete.  Welch ein Idyll aus dem Nichts. 

Wir stärkten uns für den Aufstieg auf den Monte Zughero, von wo sich ein imposanter Blick auf den Lago Maggiore und umliegende Seen und sogar bis Mailand bot.
Der Rückweg durch ein kleines Tal ließ uns einen Bach überqueren in denen rosafarbene Granitsteine lagen. 

Ein letzter länger Aufstieg zurück zum Gipfelinferno, der bei mir Träume von einer 1.000%igen Besteuerung auf Skier und Schlitten hervorrief, ein Abstieg im doppelten Sinne nach Stresa mit der Seilbahn, wo man dem Ende einer Epoche ein weiteres Mal beiwohnen musste und rasche Rückkehr ins Bergdorf. 

Freilich eine drastische Betrachtung, die natürlich nicht uneingeschränkt geteilt wird. Aber Studiosusreisebusse mit fröhlichen Bestagern steuerten das Inferno immer noch munter an und so wird auch Stresa bis auf Weiteres nicht untergehen, solange noch Renten bezahlt werden.