Dienstag, 25. Juli 2017

»Die Meistersinger« als Blackbox

Seit 1993 wende ich mich an der Spielleitung, um Karten für die Festspiele zu bestellen. Schon einmal, 2009, hatte ich Erfolg, doch die Aufführung des »Parsifal« fiel genau auf den Tag unseres Umzuges, den ich seinerzeit noch gar nicht voraussehen konnte. Nun erlangte mich im April 2017 wieder die Nachricht, sogar zur Neuinszenierung der »Meistersinger« und noch dazu zur Eröffnung, zwei Karten bekommen zu haben. 

Das Erreichen des »Grünen Hügels« ist ähnlich entbehrungsreich wie der Weg zum »Läuterungsberg« bei Dante. Von meiner Gemahlin wurde ich getrennt und schon den Festspielhügel zu erklimmen, war angesichts des Regens, der sich über uns kübelweise ergoss, eine erste Prüfung. Nicht abzusehen war, wie schlecht man vor einer sichtbehindernden Säule sitzen kann. 

Meine Nachbarin war eine ältere, zarte Dame, mit der ich mich darauf verständigte, von Zeit zu Zeit meinen Kopf ausstrecken zu dürfen, um einen Gesamtüberblick vom Bühnengeschehen zu gewinnen. Die Dame selbst war an sich zart genug, dass ich mich auch auf ihrem Platz hätte setzen können und sie auf meinen Schoß hätte nehmen können, dann hätten wir beide gut gesehen. Aber wir arrangierten uns in den 4½ Stunden der Aufführung auch nebeneinander recht gut. 

Ab und zu schoss sich mit ausgestreckter Hand auch ein Foto von der Bühne, um zumindest kurzzeitig voll im Bilde zu sein. Insgesamt kam ich mir manchmal vor, wie ein auf dem Dach positionierter Scharfschütze, der einen bestimmten Ausschnitt unter Beobachtung hat. Der Vorteil dieser Sichtbehinderung war, dass ich die Musik sinnengeschärft noch deutlicher wahrnahm und auf diese Weise die Oper sehr intensiv verfolgte. Es trübte meinen Genuss nur unwesentlich. 

Wenn dieser erste Bayreuth-Besuch bei schönem Wetter und auf besseren Plätzen stattgefunden hätte, würde ich vielleicht gar nicht mehr auf die Idee kommen, noch mal hierhin zurückzukehren. Nun steht aber mein Entschluss fest. Wir kommen wieder und setzen uns dann ins Parkett!