Samstag, 5. August 2017

Hinter den Kulissen des Camino

Heute schaute ich mal richtig tief in das Innere des Camino-Theater hinein.

Ich startete auf dem Weg des »Linksrheinischen Camino« von Brohl aus Richtung Koblenz. In Brohl ging es hinter der Brohltalbahn, dem »Vulkan-Express«, gleich steil bergan. Aus dem Lokschuppen hörte ich, wie die Dampfloks befeuert und für den Tag vorbereitet wurden, um bald das Publikum durch das malerische Brohltal zu befördern.

Schön lag das Rheintal hinter mir und das Neuwieder Becken mit abgeschaltetem AKW vor mir. Bis Namedy war es ein wunderbarer Weg auf der Höhe, mit grandiosen Blicken auf den Rhein.


Namedy ist ein endloses Straßendorf, das den Camino-Dörfern in Spanien alle Ehre gemacht hätte. Hier begann ein 8 km langer, mit Verbundpflaster ausgelegter, Weg. Über mir eine riesige Betonbrücke, die die alte Bundesstraße ersetzte, um an dieser Engstelle den Verkehr bewältigen zu können. Ganz sicher sind Pilger einst durch das Rheintal gekommen, aber da gab es noch keine Autos, es gab keine Eisenbahn und den einzigen kleinen Weg teilten sich alle. Irgendwie tief unter mir mochte er liegen.

In Andernach zog mich der Mariendom an. Diese schöne, spätromanische Basilika am Rande der Stadt und außerhalb des Getriebes in den munteren Gässchen. Hier war der Geist der Pilgerschaft zu spüren und dieses bewundernswerte Zeugnis des Glaubens war bereits der frühe, spirituelle Höhepunkt meiner Wanderung. Stille, ein paar Gläubige im privaten Gebet. Auch ein Stempel lag bereit. 


Von dort wandte sich der Weg vom Rhein ab, verließ die topographische Ideallinie und bestätigte damit meine Vermutung, dass die nachfolgende Wegstrecke lediglich das Etikett »Jakobsweg« bekommen hatte.

Man hört, dass der »Linksrheinische Camino« erst vor einigen Jahren wiederbelebt worden ist und so erdachten die regionalen Jakobsgesellschaften einen Weg, der sich in Teilen mit dem  »Rheinburgenweg« oder den »Streuobstwiesenweg« verband.

In  Miesenheim hatte ich erst einmal eine Entscheidung zu treffen. Am Weg wies ein Schild darauf hin, dass ich hier der Weg in den  »Linksrheinischer Jakobsweg« und »Eifelcamino« aufteile.
Gerne wäre ich dem Weg nach Santiago über die Eifel weiter gefolgt, doch hielt ich an meinem Plan fest, Koblenz zu erreichen. Die Markierung des Wegs durch die Eifel war mit schönen Basaltsstein und eingemeißelten Muschelsymbol ausgeführt.  In kleinen Teilen hatte ich diesen auch schon einmal begangen und in Monreal die mit Pilgersymbolen geschmückte Pfarrkirche gesehen. Aber jetzt schwenkte ich schweren Herzens nach Osten und nahm Kurs Richtung Mosel.


Allgegenwärtig blieb das Atomkraftwerk Mühlheim-Kärlich. Ich bin sicher, dass der ursprüngliche Weg gleich durch das Becken für die Brennstäbe und den Kühlturm führte. Aber bis zu dessen Wiederbelebung vergehen noch ein paar Jahrhunderte. Ganz in der Nähe passierte ich einen kleinen Freizeitpark, der mich gleich  in seiner Tristesse an die verlassenen Orte rund um Tschernobyl erinnerte.  Die Ortschaften Kettig und Kärlich liegen schön am Hang, aber der Blick in die Rheinebene wird vom allgegenwärtigen Kühlturm dominiert.

Den Weg, den ich ging, konnte dabei zum Teil gefallen, wies aber keine Jakobswegspuren auf. In Rübenach  hatten engagierte Bürger einen Brunnen mit Muschelsymbol errichtet, aus dem erfrischendes Trinkwasser tröpfelte. Schön war es oberhalb der Mosel, wo eine fruchtbare Hochebene gleich von einem ganzen Mähdrescherballett bearbeitet wurde.


Der Abstieg in den Moselort Güls war eindrucksvoll. Der Ort wird von einer doppeltürmigen Kirche, Sankt Servatius, mit markanten Spitzhelmen dominiert. An modernen Weinbauterrassen erreichte ich den Ortskern, wo eine Straßenbar zum Verweilen einlud. Ich überquerte die Mosel und folgte dann weiter dem aufgeklebten Muschelsymbol, das mich theatralisch zum Deutschen Eck führte. Dieser symbolträchtige Ort wurde von Touristen verschiedenster Länder bevölkert.  In Zeiten der Teilung war es Symbol für die deutsche Einheit. In meinen Schülerzeiten wirkt es aber so vernachlässigt, wie der damalige Glaube an die Wiedervereinigung. Aber an diesem sonnigen Tag strahlte auch Kaiser Wilhelm I. fröhlich und aufgeräumt.


Koblenz hat in seine gesamte Rheinpromenade sehr geschmackvoll gestaltet und zu einer Visitenkarte gemacht. Es war der lebendige Abschluss meines fast 43 km langen Wegs.

Auch der Jakobsweg ist inzwischen eine reichlich kommerzielle Angelegenheit. Der moderne Pilger möchte auch etwas geboten bekommen und so wird er an die Highlights des Weltkulturerbes Mittelrheintal geleitet, passiert Supermärkte und wird durch Einkaufsviertel geleitet.

Vielleicht ist dieser Kontrast notwendig, um die anderen Passagen dieses Weges zu schätzen. Dieser Blick hinter die Kulissen war lehrreich heute. Wege sind zudem nicht statisch, sie verändern sich, so wie sich unsere Welt ändert. Und auch ein Weg durchs Scheinwerferlicht führt zum Ziel. Aber immer dabei auf meinem Weg sind die lieben Menschen, an die ich denke im Gleichmaß des Weitergehens. Bon camino!