Dienstag, 27. November 2018

Lernbereitschaft und Offenheit



Das hat mich schon gefreut, dass mit diesen beiden Schlagworten ein Interview mit mir überschrieben war. Heute im »Buchmarkt « erschienen.


Ist das Thema Plattform-Ökonomie für Fachverlage tatsächlich neu? Oder ist es nur – etwas salopp gesagt – „neuer Wein in alten Schläuchen“?

S3uerwald: (lacht) Ach, Überlegungen der Fachverlage zu gemeinsam genutzten Ökonomien gibt es schon über 20 Jahre, also lange vor Amazon und Facebook.

2000 haben wir uns damals beim Carl Heymanns Verlag zusammengesetzt und überlegt, wie Publikation von juristischen Fachinformationen verknüpft werden können und haben 2001 mit der Verlagsgruppe Handelsblatt und dem Verlag Dr. Otto Schmidt »Legios« gegründet. Für mich war das der Startschuss, juristisches Publizieren weiter zu denken. Der Staat war 1985 (!) mit der Datenbank  »Juris« sogar Vorreiter und hat innerhalb von Behörden und Gerichten eine Infrastruktur geschaffen und den Boden bereitet, die heute mit den Möglichkeiten des Internets so umfassend geworden sind.

Mit dem Aufkommen der Plattform-Ökonomien im Massenmarkt haben diese ersten Verlagsideen eine Dynamik bekommen, die die althergebrachten Verlagsstrukturen ziemlich angegriffen haben und zum Aufeinanderprallen von ganz unterschiedlichen Kulturen geführt haben: Industriewirtschaftsdenken gegen Netzökonomie.


Was hat sich in den Jahren des digitalen Umbruchs dabei für Verlage geändert?
S3uerwald: Im Innern gab es viele Widerstände gegen die Vorstellung, dass sich unser traditionelles Geschäft durch neue Angebotsformen nach und nach verändert. Gleichzeitig  hat die technologische Entwicklung Fachinformationen zunächst auf lokalen Speichermedien anzubieten bis hin zu den rasanten Möglichkeiten sie überall dort anzubieten, wo ein Zugang zum Internet war, rasant. Solange aber das traditionelle Geschäft mit Büchern noch ausreichend Rendite brachte, blieb das Augenmerk noch eher auf das bisherige Geschäft gerichtet. Junge, nachwachsende Programmmacher konnten sich da nur schwer durchsetzen. Auch ich habe diese Entwicklung nicht so deutlich gesehen, wie sie mir heute in der Rückschau erscheint.

Beigetragen zu unserer damaligen zurückhaltenden Sicht haben auch der Umstand, dass die technischen und finanziellen Hürden am Anfang noch riesig waren. Alles musste individuell programmiert werden und das hat viele verständlicherweise überfordert. Die Voraussetzungen  heute auf den verschiedensten Kanälen publizieren zu können, haben sich in technischer und finanzieller Hinsicht enorm vereinfacht und auch kleinen Verlagen die Möglichkeiten zu modern Angeboten gegeben. Für mich war das auch ein wesentliches Argument, meine verlegerische Arbeit in einem kleinen, spezialisierten, aber schnell reagierenden Verlag fortzusetzen.

Ein zusätzlichen Schub hat die ganze Entwicklung eigentlich dadurch bekommen, dass die sozialen Netzwerke so stark geworden sind. Das »Teilen« von Beiträgen über verschiedene Plattformen, vor allem aber Facebook und Twitter hat sich irgendwann auch in Fachkreisen etabliert. Das hat dann auch eben zu vielen Einzelverkäufen von gefragten Beiträgen und Verkehr auf unseren Fachseiten geführt und die Möglichkeit der einfachen »Weitergabe« von gefundenen Informationen in unseren Datenbanken etabliert. Spätestens da war klar, in diesem Bereich müssen wir aktiver werden und eine Rolle spielen.


Schaut man sich die technische Entwicklung an, ist es schwer genau zu prognostizieren, wohin die Reise gehen wird. Was lässt sich aber Ihrer Meinung nach heute schon sicher sagen?

S3uerwald: (schaut nach oben) Wir können alle nicht hellsehen. Aber die Allgegenwart des Internets und die Möglichkeit, Information in jedweder Form schnell verfügbar zu haben, ist eine Realität, die sich die Verlage stellen müssen. Die sogenannte künstliche Intelligenz wird uns viele Routinen abnehmen. Damit wird auch eine Menge Fachinformationen gleich in digitalen Arbeitsabläufen landen. Die großen Konzerne arbeiten alle daran. Die Nachfrage nach Fachwissen wird sich auf die verschiedensten Angebotsformen verteilen.

Für meine verlegerische Arbeit ist eine Grundfrage entscheidend: Was unterscheidet den Menschen von der »Künstlichen Intelligenz«?

Alle Fachleute sind sich einig: im Gegensatz zur »Maschine« ist der Mensch schöpferisch, kreativ, besitzt Empathie und kann ungeheuer flexibel auf neue Situationen reagieren. Der Zugang der Verlage zu Fachleuten ist einzigartig. Die Fähigkeit mit diesen Experten, unseren Autoren, Menschen mit guter Information in die Lage zu versetzen, mit den neuen Werkzeugen – und Künstliche Intelligenz ist nichts anderes als ein weiteres Arbeitsinstrument – zurechtzukommen wird die Kernaufgabe der Fachverlage bleiben.

Ein »fassbare« Darstellung zu einem Thema, das übergreifend erklärt und die Möglichkeiten der neuen Technologien in die Überlegungen miteinbezieht, wird seine Stellung auch im größten technologischen Wandel behalten. Nebensächlich ist es, ob es traditionell in Papier, am Bildschirm, akustisch oder als elektronisches Buch konsumiert wird. Moderne (Fach-) Buchhandlungen haben das erkannt und gestalten sich zu Treffpunkten um, die alle diese Informationswege erfahrbar machen.

Datenbanken als Plattformökonomie sind schon fast wieder »old school«. Moderne Plattform-Ökonomien werden in digitale Arbeitsprozesse, die es im rechtlichen Bereich zunehmend geben wird, integriert. Dann wird der Schriftsatz mit aktueller Rechtsprechung etc. angereichert. Fachwissen wird oft integrierter Bestandteil des normalen Workflows und keine gesonderte Abfrage in einer Datenbank sein.

Was die übrige technische Entwicklung angeht, bleibt es doch spannend zu sehen, was alles noch kommen wird.

Wie sind (Fach-)Verlage für die Zukunft gerüstet?

S3uerwald: Ich glaube, für uns gilt das, was für alle Branchen gilt:  die Bereitschaft, sich dem fortlaufend verändernden Verhalten unserer Kunden anzupassen. Auf unsere Branche bezogen: Information müssen wir in menschengerechter Form auch weiterhin in allen Formen anbieten, Früher war es in erster Linie allein die gedruckte Information, nun kommen elektronische Bücher, Datenbanken, Legal Tech-Anwendungen oder die Ausgabe in »schlauen« Lautsprechern hinzu. Unsere Verlagskulturen sollten auch im Bereich der Programmmacher Strukturen schaffen, dass alle Nutzergruppen Ansprechpartner finden und geeignete Angebote für Sie entwickelt werden. Lernbereitschaft und Offenheit gehören immer dazu.