Donnerstag, 25. März 2021

Auf der Suche nach dem verlorenen Auto



Meist hatten zu Studentenzeiten die eklatante Fehleinschätzung der Parkmöglichkeiten in UNESCO-geschützten Altstädten dazu geführt, dass nach Ende eines ausufernden Kneipenbesuchs das Auto nicht mehr am Abstellplatz stand, sondern in einem weitliegenden Außenbezirk verbracht wurde. Gegen einen uns damals astronomisch erscheinenden Betrag konnte es ausgelöst werden. Dazu kam noch ein ordentliches Bußgeld, das dann auf die Zechrunde umgelegt wurde.  

Dass mir so etwas passieren würde, hielt ich für ausgeschlossen. Doch heute nutzte ein eifriger, hierfür bekannter, privater Verkehrsüberwacher aus der Nachbarschaft die Gunst der Stunde, um die baustellenbedingte Unordnung im Starenweg und der Wegfall der dortigen Parkmöglichkeiten zu einem OWi-Ahndungsamoklauf zu nutzen. Der temporär entstandene Parkdruck vor seinem Garten entlud sich in einer Direktschalte zum Ordnungsamt, das eine Coronastreife sofort unterbrach und im benachbarten Turmfalkenweg mehrere Fahrzeuge dingfest machte und abtransportieren ließ. 

Vermutlich hätte ich das Fehlen meines Dienstwagens erst nach Tagen bemerkt, aber in der örtlichen WhatsApp-Gruppe wurde das sofort gemeldet.  

Meine stille Hoffnung, dass der Wagen professionell gestohlen worden war, erfüllte sich nach einem Anruf bei der Stadt Bonn nicht. Ja, ich könne es gegen den Betrag XY 24 Stunden an 7 Tagen auslösen. Der Wagen stehe im Mobilitätscenter sowieso. 

Natürlich befinden sich diese Aufbewahrungsparkplätze nicht in der Nähe irgendeines Knotenpunkt des öffentlichen Nahverkehrs, sondern –wie schon oben gesagt – in der Peripherie der Stadt. Also sattelte ich mein Rennrad, fuhr in einen entlegenden Teil der Stadt Bonn, äääh Bronx. Hinter einem ADAC-gelben Tresen saß  in einem abgegriffen, sonnengegerbten Basecap ein gelassener Abschleppfahrer, der sicher auf der Nordschleife des Nürburgrings achtfach überschlagene Oldtimer regungslos ins Depot gezogen hatte. Matt blickte er mir entgegen. In einer abgegriffenen Kladde, die mich an die Reservierungsmappen von Restaurants erinnerte, waren in Kinderschrift Kennzeichen und Einlieferungsdaten notiert. 

Wann der Wagen denn abgeschleppt worden sei? Wie durch ein Wunder fand er inmitten der Spalten mein Kennzeichen. Alle erforderlichen Papiere, Handelsregisterauszug der Firma, Kopie des Ausweises meines Firmeninhaber und ein Anschreiben von ihm hatte ich bei mir. Zum Glück hatte ich alle Zutaten im Büro und die Fälscherwerkstatt im Verlag hatte ganze Arbeit geleistet... 

Der Vorgang der Auslösung dauerte unter Schnaufen sehr lange, denn seine Kernfähigkeiten lagen doch in erster Linie beim Einhängen schwerer Ketten und Hochwuchten breitschultriger SUVs auf Laderampen. 

Schließlich war alles erledigt und ich erwarte meinen Personalausweis zurück. Nein, da habe er seine Vorschriften und begab sich mit ihm in ein Hinterzimmer. Schon erwarte ich, dass mein Dokument im Schredder verschwinden würde. Doch er kehrte er mit einem Desinfektionstuch zurück, dass er mit seinem naja jobbedingten öligen Händen aus der Verpackung gefischt hatte, um nun geradezu zärtlich mein Dokument an beiden Seiten abzuwischen und mir dann mit spitzen Fingern zu überreichen. Den öligen Fingerabdruck auf dem Foto meines Perso wischte ich vorher ab. 

Ich schaute ergriffen im Dunkel auf ein riesiges Fahrzeugmeer und fand mein Auto durch das kecke Aufblinken nach Drücken des Schlüssels. 

Nun kam bei ihm Eile auf als ich begann, das Rennrad auseinander zu bauen und sorgfältig auf der umgeklappten Rückbank zu verstauen. Nun, gab ich zu verstehen, ich sei ja nun auch sehr geduldig gewesen, dies sei eigentlich mein Hauptgefährt und das müsse auch wieder heile nach Hause kommen. 

Wir nickten uns verständnisvoll zu, ehe ich in die Nacht entschwand.