Donnerstag, 1. Mai 2025

Sauer macht lustig. Vom Verlag in die Hauptstadt Luxemburgs



Echttest für die Fahrt zum Nordkap. 


Die Fahrt zum Nordkapp über 3.000 Kilometer muss logistisch natürlich einmal geprobt werden. Also habe ich mein Fahrrad genau so bestückt, wie ich im Sommer starten möchte. Und mir eine Etappe vorgenommen, wie ich sie mir typischerweise sowohl von den Höhenmetern als auch den Temperaturen vorstelle. Herausgekommen ist: von Köln im Verlag nach Luxemburg Stadt, rund 280 Kilometer, meinem gedachten Tagesdurchschnitt. Die Temperaturen im Hohen Venn, wo ich mir einen Schlafplatz draußen suche, versprechen dann, auf arktisches Niveau abzusinken – also rund um den Gefrierpunkt.

Ich beende um 17 Uhr meine Arbeit im Büro, fahre noch bei den Eltern vorbei und starte bei 27 Grad Richtung Westen. Über Kerpen und entlang des Hürtgenwaldes geht es in den Sonnenuntergang. Rechts die Braunkohlekraftwerke aus Weisweiler, die golden herüberwinken.



Es ist dann dunkel, als ich in Stolberg einen Imbiss aufsuche, um noch einmal etwas Warmes für die Nacht einzunehmen. Noch ein paar Kilometer, und ich erreiche den Vennbahnradweg. An dessen Rand suche ich einen Schlafplatz. Es ist Walpurgisnacht, und in allen Orten am Rand der Strecke wird lautstark gefeiert und getrunken.Es dauert bis kurz vor Mitternacht, bis ich eine passende Behausung finde. Die Temperaturen sind bereits auf 5 Grad Celsius abgesunken. Mit noch nicht ganz vorhandener Routine breite ich meine Unterlage aus und schlüpfe in meinen Biwaksack. Dessen Wärmeleistung habe ich dann doch ein wenig überschätzt, denn mollige Wärme will bei 1 Grad nicht aufkommen. Also suche ich noch alle vorhandenen Kleidungsstücke zusammen und schlüpfe erneut in meine Plastikhülle. Die Sitzbank ist sehr schmal und erfordert einiges Geschick, um sich auf ihr zu wälzen.




Aus Lammersdorf schallt solide Technomusik in Zimmerlautstärke. Ein paar Traktoren mit Anhängern und feierndem Publikum passieren regelmäßig in der Nähe. Eine Soundkulisse, die bis in die Dämmerung anhält und meinen Schlaf immer wieder unterbricht.

Ansonsten besucht mich niemand in der Nacht.

Pünktlich geht um 5:30 Uhr mein Alltagswecker. Und ich bin angenehm überrascht, dass das Venn mich nicht mit feuchtem Nebel, sondern einem blauen Himmel empfängt. Das wird ein schöner Tag. Das sieht man ihm jetzt schon an.Die Nacht war nicht optimal. Es war ein bisschen zu kalt. Und es lässt mich noch einmal darüber nachdenken, ob nicht doch noch ein etwas wärmerer Schlafsack auf die Reise mitgenommen werden muss.




Ich packe zusammen. Auch das läuft noch nicht sonderlich routiniert ab. Bin aber nach 30 Minuten startklar. Hinterlasse die Hütte besser als beim Eintreten und mache mich auf den Weg.

In den freien Flächen wärmt die aufgehende Sonne. Aber wo viel Licht ist, ist auch viel Schatten – und dort ist es sehr kühl. Immerhin beantwortet mir meine KI unterwegs, dass in St. Vith ein Café geöffnet hat, auch an meinem Feiertag, ab 9 Uhr.



Und so fliegen die rund 40 Kilometer dorthin – in Erwartung einer Schale Kaffee und französischen Gebäcks. Meine Erwartungen werden übererfüllt. Ich gönne mir noch einen Orangensaft dazu und fahre gestärkt weiter.



Mein Fahrrad ist sehr gemütlich. Ich kann es darauf stundenlang aushalten. Trotz Lenkertasche, Rahmentasche und Satteltasche mit insgesamt ungefähr 16 Litern Kapazität liegt das Rad solide und ruhig auf der Straße. Auch die Anstiege im Venn lassen sich damit gut bewältigen.

Als ich gegen Mittag die Bahntrasse verlasse und in die wellige Topografie Luxemburgs eintauche, stehen mir die wahren Kletterproben noch bevor. Aber auch das geht – selbst im Wiegetritt, vollgepackt – erstaunlich gut und stündlich zuversichtlicher mit Blick auf die erwarteten 25.000 Höhenmeter im Norden.




Luxemburg selbst ist ohnehin ein Geheimtipp unter den Reiseländern. Ein Land so altmodisch wie Europa, mit einer Infrastruktur aus der Zukunft. Hervorragend asphaltierte Straßen, bargeldloser Zahlungsverkehr, freundliche Menschen – und immer eine Sprache in Reserve, in der man sich unterhalten kann.


Schlösse man die Augen, man wüsste nicht, wo man wäre.




Dazu ein Radwegenetz, das nicht etwa eine neue Initiative ist, sondern 40 Jahre alt – ohne dass jemals die Pflege unterbrochen worden wäre. Lediglich die Hinweisschilder stammen noch aus den Urzeiten. Umso mehr erkennt man daran, wie vorausschauend man seinerzeit schon war. Dieses Netz verbindet das ganze Land und wird ergänzt durch ein kleines, aber feines Eisenbahnnetz.


Die Nutzung der Regionalzüge wird kostenloses bereitgestellt. Die Züge selbst sind in einem einwandfreien Zustand. Es ist eine wahre Freude, nach meiner Ankunft später in Luxemburg mit ihnen wieder Richtung Heimat zu fahren.


Der Weg in die Hauptstadt führt mich entlang mehrerer kleiner Flussläufe – der Sauer, der Our und der Alzette. Alles herrlich und mühelos.


Im Detail werde ich noch an einigen Dingen arbeiten müssen. Aber die wesentliche Ausrüstung ist vorhanden. Das Fahrrad passt. Und nun werden in den nächsten Wochen alle Verschleißteile erneuert – und noch ein paar Langstrecken-Tests eingestreut und ein Sommerschlafsack dazugepackt. Das wird dann schön kuschelig am Polarkreis. 


Die Vorfreude steigt