Dienstag, 11. September 2007

Rotweinlese - Schnellkurs



Man kennt ja die schönen, musikunterlegten Stimmungsberichte mit großzügigen Kameraschwenks über eine sonnenverwöhnte Landschaft, erdfeuchten Winzerhänden und Weinbauern, namens Acido Foresta, die mit in die Ferne gerichteten Blick durch die Reihen ihrer Rebstöcke wandeln, um sich ihre natürlich wohlgeratenen Gewächse anzusehen.

Die Wirklichkeit ist freilich weniger wattebauschig und noch heute ist der dunkelgewordener Saft zerquetschter Beeren in meine Fingerkuppen und Handflächen eintätowiert. Ich bin auch nur Weinpflücker, auf Abruf nach schneller telefonischer Anforderung, und so brach ich am 11. im Schutze der Dunkelheit von zu Hause auf und verfügte mich nach Kröv. Jungwinzer Jan steuerte den LKW, mit Bütten beladen gen Piesport.



Die Trauben hingen deutlich sichtbar im Laub der Rebstöcke und mit einer Erntehelferschar, die sich munter aus dem Polen Andrej, dem Neuseeländer Daniel, dem Engländer James, drei Bekannten aus Piesport, Jan und mir zusammensetzte ging es Glockenschlag 8 Uhr los.



Schere am Stil angesetzt, schnelle intuitive Qualitätsprüfung und ab in den Eimer.



Die Qualitätsprüfung für den erfahrenen Erntehelfer vollzieht sich optisch, haptisch und per Geruchsprüfung. Klar, was nach Essig riecht oder auch sonst unangenehm empfunden wird, gehört nicht dazu.



Die Qualitäten differieren je nach Zeitläuften. Es gibt Jahre, da kann man alles pflücken, aber auch Jahrgänge, wo es zu einer mühseligen Sortierarbeit ausartet.



Die bunte Schar organisiert sich reihenweise, liest hauptsächlich nach links und hilft dem rechten Nachbarn mit. Je nach Sympathie sucht man sich seine Nachbarn, weil man sich dann natürlich auch noch prima durchs Laubwerk unterhalten kann. Meist wird dies aber als leistungshindernd vom verantwortlichen Winzer erkannt und man wird so eingeteilt, dass die leistungsstarken Pflücker auf die ganze Breite verteilt bleiben. So müssen sich dann auch die englischsprachigen Helfer mit moselplattsprechenden Urgesteinen arrangieren und kommen ihrem Sprachlernziel entscheidend näher.



Permanent prüft der Winzer natürlich auch die geernteten Trauben auf Qualität. Nichts entgeht seinem Blick. Natürlich ist es dann auch nicht mit einem wahllosen Hineingreifen mit verklärten Blick in das Meer der Beeren getan und einer zackigen Werbebotschaft, "Nur die besten Trauben für diesen Spitzenwein...".



Tradition in Kröv haben die mittäglichen Pausen im Wingert. Früher wurden die Töpfe gleich morgens in mehrere Lagen Zeitungspapier eingeschlagen in den Wingert gebracht, heute gibt es industrielle Thermoboxen, die das Essen vermutlich auch in der Arktis noch auf Betriebstemperatur halten.



Gestern gab es eine leckere Bohnensuppe mit Würstchen und Rauchfleisch, hmmmmh, lecker! Die Rezepturen der köstlichen Küche sind aber altüberliefert und nach der willkommenen Stärkung reicht die Kraft für die nachmittägliche Lesearbeit.



Aber für all, die sich doch lieber von bewegten Bildern berauschen lassen, folgt hier der Film zur Lese: "Rotweinlese - Crashkurs".