Sonntag, 26. Oktober 2008

Auf dem Kröver Nacktarsch


















Nein, einladend war das Wetter nicht, als K. und ich um 6 Uhr morgens in Bonn aufbrachen. Der Nieselregenfilm auf der Windschutzscheibe musste im Intervall der Scheibenwischer entfernt werden, um den Blick auf die nebelige Eifel freizugeben. In Mendig erschien die Landschaft wie eine bewegte Hexenküche. Erst als wir schließlich die Gestade der Mosel erreichten, schien sich das Wetter zu beruhigen. In den Straßen Krövs erleuchtete Kelterhäuser und das "Tacktack" der Schleppper die Traubenwagen hinter sich herzogen.

Aus der Küche des Staffelter Hofs Geschäftigkeit und Kaffeeduft, als wir angereisten Lesekräfte den Raum betraten. Der Tisch wie immer munter belegt aus einer Schar von Helfern, die Polen, ein Tasmanier, ein junger Engländer. Es dämmerte, schwere Schuhe und alte Arbeitskleidung wurden angelegt und der Treck setzte sich in Richtung Steffensberg in Bewegung. Dieser Weinberg gibt dem schönen Ort Kröv seine charakteristische Lagebezeichnung "Nacktarsch", denn wie ein Popo geformt liegt in der schönen Moselschleife von Kröv, die auf der anderen Seite des Flusses die Ortschaft Wolf umschließt.

K.'s Blick ging unter dem Hochnebel auf die sich gen Fluß senkenden Reihen. Ein langer Tag sollte vor uns liegen. Die roten Plastiksammelkästchen lagen breit und jede musste sich mit zweien nach unten vorarbeiten. In einer der beiden Behältnisse sollten, faule, eingetrocknete Beeren gesammelt werden, um aus ihnen Auslesewein zu machen. Immer wieder Halt suchend ging es leicht gebückt im Dickicht des Blattwerks tastend talwärts, während die schwerer werdenden Kästen sich in den Schiefer gruben und mit einer weiteren Kraftanstrengung von Stock zu Stock geschoben wurden.

Die Frühstückspause unterbrach das fleißige Tun. Kaffee dampfte, belegte Brötchen stärkten. Die Sonne schimmerte bereits ein wenig durch die weiße Nebeldecke. In schneller Arbeit ging es ein weiteres Mal von oben nach unten bei der systematischen Pflück- und Sortierarbeit voran.

Um 12 kam das Essen in den Weinberg, der alljährlich kulinarische Höhepunkt, ein dampfender Teller am Fuße eines Wingerts und dazu ein Glas Wein. Noch ein Nachschlag und noch einer und weiter ging's. Sammelkästchen auf Sammelkästchen lagen verstreut über den ganzen Weinberg mit Trauben gefüllt. Zum Schluss würden sie mit vereinten Kräften bergabgezogen werden und von der unteren Weinbergbegrenzungsmauer auf dem LKW in einer großen Bütte ausgeschüttet werden.

Die Sonne hatte sich inzwischen einen Weg durch den Nebel gebannt und vertrieb die letzten Schwaden, so dass wir am Nachmittag bei strahlendem Himmel in den goldenen Herbstfeldern unsere Lesearbeit verrichteten. Lastschiffe passierten uns regelmäßig, Ausflugboote wiesen ihre Passagiere auf die gerade passierten Sehenswürdigkeiten hin und die Fetzen der Ansage "Weinlese", "Kröv" oder Nacktarsch" drangen zu uns. Ab und an winkte uns aus der Ferne ein Passagier oder Kapitän auf der Binnenschiffbrücke zu.

Die Kirchenglocken von Wolf läuteten zur Abendmesse, die Sonne näherte sich dem Horizont und in den letzten Sonnenstrahlen beendeten wir unser Tagewerk. Die klebrigen Hände wurden im Wasser gereinigt, die schweren Schuhe verschwanden erdenschwer im Kofferraum und über die kleinen Weinbergwege ging es zurück zum Weingut.

Der Tisch war gedeckt, auch wenn noch lange nicht alle Helfer sobald sich um diesen versammeln würden. Doch K.'s und meine Arbeit war getan. G. entlohnte uns in Wein, Winzer J. dankte uns im Weinkeller, in dem er den Most der gerade gekelterten Trauben prüfte.

Von der Straße hörte man wieder das "Tacktack" rangierender Schlepper. Wir schlossen die Kofferraumklappe mit den Schätzen früherer Lesen und bald zogen die ersten Nebelschwaden in unser Blickfeld, ehe wir durch die Eifel und an der Ahr vorbei gen Bonn zurückfuhren.

Die Sonne und das Glück dieses Lesetages funkelte später noch einmal im gefüllten Weinglas auf, aber dann siegte die Müdigkeit über den Genuß.

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