Montag, 5. Juli 2010

„Was nicht in den Akten ist, das ist nicht in der Geschichte!“

Wir haben ihn gekannt und er hat uns mit Stolz das Archiv gezeigt. Meine Firmung habe ich mit seinen Söhnen gefeiert. In der vorvergangenen Woche ist er verstorben.


Zum Tod von Prof. Dr. Hugo Stehkämper
– ein Nachruf von Prof. Dr. Hiltrud Kier

„Was nicht in den Akten ist, das ist nicht in der Geschichte!“ Mit diesen Worten ermahnte mich Hugo Stehkämper bei meiner Amtseinführung als Stadtkonservatorin 1978 und forderte damit als besonders wichtige Grundlage eine ordentliche Aktenführung ein, damit später im Historischen Archiv der Stadt Köln die Geschichte nachvollziehbar sei.

Wie Recht er hatte, wurde auch nach seinem Tod bewusst, als der Griff nach seiner Akte durch den Einsturz des Archivs am 3. März 2009 für alle, die einen würdigenden Nachruf schreiben wollen, nicht möglich war und die Suche nach entsprechenden Quellen neu begonnen werden musste. Ich danke Herrn Prof. Dr. Werner Eck für die prompte Übermittlung von Unterlagen aus dem Dekanat der Philosophischen Fakultät der Universität Köln und dem Archivdirektor a. D. Dr. Everhard Kleinertz, dessen ausführliches Geleitwort zu den 2004 von ihm herausgegegebenen ausgewählten Abhandlungen von Hugo Stehkämper „Köln – und darüber hinaus“ (= Mitteilungen aus dem Stadtarchiv von Köln 93, 94) eine umfassende Würdigung des Lebenswerkes seines Vorgängers darstellt.

Hugo Stehkämper wurde am 5. April 1929 in Gelsenkirchen als ältestes von vier Kindern eines Bergarbeiters geboren. Der Zweite Weltkrieg erreichte den Gymnasiasten noch in seinem Endstadium, 1945 kam er in amerikanische Kriegsgefangenschaft. Nach dem Abitur studierte er ab 1949 an den Universitäten Bonn, München und Münster Latein und Geschichte. 1954 wurde er an der Universität Münster über das Thema „Die reichspolitische Tätigkeit Bischof Hermanns II. von Münster (1174-1203)“ summa cum laude promoviert, legte 1959 die archivarische Staatsprüfung ab, arbeitete zunächst am Staatsarchiv Münster und kam 1961 ans Historische Archiv der Stadt Köln, das er von 1969 bis 1994 leitete. Am 11. Juni 2010 ist er in Köln gestorben, am 21. Juni 2010 wurde er im Beisein zahlreicher Kollegen und Kolleginnen auf dem Friedhof in Bensberg begraben.

Schwerpunkt seiner umfangreichen wissenschaftlichen Arbeit war zeitlebens die bedeutende Geschichte der Stadt Köln, deren reichspolitische Ausstrahlung und Verbindung er in vielfältiger Weise beleuchtete. Das Wechselspiel von erzbischöflicher Macht und bürgerlichem Selbständigkeitsstreben im Mittelalter war dabei ebenso sein Thema, wie die Darstellung von Konrad Adenauer, dessen vielfältiges Wirken von Köln in die deutsche Politik ausstrahlte. Die vielbeachtete Ausstellung „Konrad Adenauer. Seine Zeit – sein Werk“, die anlässlich seines 100. Geburtstages 1976 stattfand, wurde von einer umfangreichen Publikation begleitet, deren Beiträge noch heute grundlegend sind. Auch mit anderen Ausstellungen und zugehörigen Publikationen setzte er Maßstäbe, wie z. B. 1974 mit „Widerstand und Verfolgung in Köln 1933 – 1945“ (wissenschaftliche Mitarbeit u.a. Franz Irsfeld).

Hugo Stehkämper hatte 1971 den Umzug des Historischen Archivs vom Gereonshof in die Severinstraße 222 durchführen können, in einen Neubau, an dessen Konzeption er maßgeblich beteiligt war und der insbesondere in seiner bautechnischen und klimatischen Ausgestaltung neue Maßstäbe setzte. „Der Kölner Magazinbau, der im In- und Ausland viele Nachfolgebauten angeregt hat, war ein Geniestreich und hat zurecht den Bauherrn mit Stolz erfüllt, abgesehen davon, dass er der Stadtverwaltung Energiekosten in Millionenhöhe einsparte. Unermüdlich hat Hugo Stehkämper für das Prinzip der natürlichen Klimatisierung gefochten und geworben.“ (Everhard Kleinertz). Niemand vermag zu ermessen, wie sehr ihn der Einsturz vom 3. März 2009 getroffen hat.

Sein enormes Fachwissen vermittelte Hugo Stehkämper seit 1981/82 in Seminaren den Studierenden auch an der Kölner Universität, 1987 wurde er zum Honorarprofessor ernannt. Seine große Reputation brachte es mit sich, dass er auch in führenden Positionen bei den Geschichtsvereinen tätig war: u.a. bei der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde, im Verein Deutscher Archivare, im Hansischen Geschichtsverein, im Zentral-Dombau-Verein Köln, im Gesamtverein der deutschen Geschichts- und Altertumsvereine. Nach seiner Pensionierung übernahm er für die 1995 gegründete „Historische Gesellschaft Köln e.V.“ die Konzeption und Herausgabe der auf 13 Bände angelegten Publikation „Geschichte der Stadt Köln“, von der bisher drei Bände erschienen sind. 2007 übergab er die Herausgeberschaft an Werner Eck, der nun auch Sorge dafür tragen wird, dass der von Stehkämper weitgehend bereits bearbeitete 3. Band zum Hochmittelalter von einem Fachkollegen oder einer Fachkollegin abgeschlossen wird.

Hugo Stehkämper war ein gläubiger Katholik, wie der Pfarrer bei der Trauerfeier am 21. Juni 2010 in St. Nikolaus in Bensberg betonte, wo er mit seiner Familie wohnte und als „wohlwollend-kritisches“ Gemeindemitglied mitwirkte. Dass Papst Johannes Paul II. 1980 die Ausstellung zu Albertus Magnus im Historischen Archiv der Stadt Köln zum Anlass nahm, ihn zum Ritter des Gregoriusordens zu ernennen, war ihm eine besondere Ehre.

Die Freunde des Historischen Archivs der Stadt Köln e.V. werden ihrem Gründungsmitglied Hugo Stehkämper ein ehrendes Andenken bewahren. Auch wenn der Anlass nun ein trauriger ist – es gibt wieder eine Akte über ihn im Historischen Archiv der Stadt Köln. Das zumindest würde ihn freuen – insbesondere aber, wenn in den kommenden Jahren die aufgefundenen, sortierten und restaurierten Teile seiner Hauptakte zugefügt werden können.