Freitag, 19. Oktober 2018

Fabelhafter Weg, eine magische halbe Stunde und schwäbische Präzision. Von Villafranca nach La Faba. 21. Etappe.



Am Morgen wurden wir bei Ave Fenix nocheinmal richtig verwöhnt. Ein ökologisches Frühstücksbüffet mit den Köstlichkeiten des Gartens, Konfitüren, Brot und Tees.

Durchs noch dämmrige Villafranca gingen wir vor Sonnenaufgang und entschlossen uns für den Camino duro, über die Höhen, statt durch ein Straßental, das einst die einzige Verbindung Richtung Galicien war und von Pilgergenerationen  wegen des unbarmherzigen Verkehrs verflucht wird.

Aber in unserem Überschwang verpassten wir den unscheinbaren Abzweig an der Brücke. Erst Marc aus San Francisco wies uns wieder auf den richtigen Weg. Steil ging es bergan, bald schaute die Sonne über die Bergkuppen und im Tal sahen wir ameisengroße Pilgerschlangen hinter Betonbarrieren entlang der Straße wandern. Ein grandioses Gebirgspanorama mit abenteuerlich sich über Taleinschnitte reckenden Autobahnbrücken in der Ferne. Wir passierten Haine von Esskastanien, sammelten sie schließlich, soweit es der Platz in unseren Rucksäcken hergab und erreichten den in saftige Weiden eingebetteten Weiler Pradela.

Eine freundliche Unterkunft mit Bewirtung, lud zum zweiten Frühstück ein. Lindal aus Adelaide und Silvi aus Bad Honnef saßen bereits in munterer Runde beisammen. Anni hatten wir unterwegs schon von Weitem gesehen, gesellte sich ebenfalls dazu. Frühstück, gemeinsamer Abstieg zur dann doch unvermeidlichen Straße, der wir noch quälende 3 Kilometer folgten. Im Straßengraben wurde Wladimir von helfenden Pilgerhänden am Schienbein verarztet. In Valcarce dringende Einkehr, inzwischen war es heiß. Dann verließen wir das Straßenungeheuer und ab Vega del Valcarce folgten wir einer wunderbaren Talstraße, an die sich ein schönes Dorf nach dem anderen reihte. In Ruitelan, dem umtriebigsten Hauptort, kam uns Pieter entgegen und zeigte uns stolz die gerade in der Apotheke erworbene Seife und gab Erklärungen zu seinem weiteren Pilgerweg ab. Thea versorgte sich mit Ohropax. Munter bei herrlichster Spätsommerstimmung weiter, ein letzter Anstieg auf einem an einen Römerpfad erinnernden Weg in einem im Nirgends liegenden Ort: La Faba.

Die örtliche Herberge neben dem wunderbaren Refugio wird von Stuttgarter Pilgerfreunden betrieben. Sie wird mit schwäbischer Präzision und Sparsamkeit geführt. Sachliche Aufnahme, dreisprachige Erläuterungstafeln auf jeden Regalbrett, aber auch Fußbodenheizung und eine Dusche nach gängigen EU-Standards. Am Abend herrsche Ordnung in allen Bereichen. Wir boten unsere Kastanien zum Verzehr an. Wladimir freute sich wie ein Weihnachtskind über die lustigen Früchte. Bis 22.00 Uhr hatten sich die Pilger ins Bett zu verfügen, damit die hostalieros das Frühstücksbüffet bereiten konnten. Ich freute mich nach der feierlichen Ankündigung schon wie ein Spätzle darauf. Hier galt für die Pilger: »Nicht geschimpft, ist genug gelobt«.

Auch zwei Schwestern aus Carrion de los Condes waren auf dem Pilgerweg. Die deutsche Oberin gesellte sich am Abend zu mir in die Kirche und fragte auf Deutsch, ob ich singe könne. Wir stimmten gemeinsam Taizé-Lieder an, die sie mit der Gitarre begleitete. In der ebenfalls von den Stuttgartern wieder renovierten Kirche aus dem 12. Jahrhundert, leuchtete allein das eindrucksvolle Retabel. Ein bewegender, spiritueller Moment. Eine halbe Stunde Gesang und Gebet, zu dem sich bald auch andere Herbergsgäste gesellten. Die Kirche stand gleich neben der Herberge.

Etwas munterer ging es nur in der alternativen Herberge  im Ort zu, in der wir noch zu eine Absacker einkehrten, ehe sich die Herbergspforten schlossen und nur der Boden Wärme strahlte. Ein fabelhafter Tag ging zu Ende.

Fazit des Tages: Was kann man von einem schwäbischen Frühstücksbüffet erwarten?