Samstag, 20. Oktober 2018

Das letzte Gebirge. La Faba - Triacastela. Die 22. Etappe. Staunend klettern



Unruhig erwachte ich. Ein wenig freute ich mich wie ein Kind auf die Weihnachtsstube, denn die strengen Herbergseltern hatten ja um pünktliche Räumung der Küche gebeten, »um das Frühstücksbuffet aufzubauen«. Eine gute Grundlage sollte schon sein vor dem letzten Gebirgszug, verbunden mit dem Übergang nach Galicien.

Als ich die Küche betrat sah ich eine freudlose, müde Pilgerschar, die offenbar gutes deutsches Frühstück und ein berstendes Büffet nicht zu schätzen wussten oder hatte ich etwas übersehen?

Ich musste dreimal hinschauen, um einen winzigen Tisch mit abgepackten, sehr trocken aussehenden Keksen zu erblicken, einige Teebeutel und eine schon zur Hälfte geleerten Nescafé-Plastikdose. zu erspähen Oha!, das Büffet muss in weniger als einer Minute vorbereitet gewesen sein. Aber, wir hatten eben garni gebucht: Garnix!

So leerte sich die gut beheizte Herberge. Nur Wladimir war entweder von den Kastanien des Vorabends noch satt oder noch sehr müde. Er wurde persönlich aus dem Bett komplimentiert und wirklich, um 8 lag La Faba in der dunklen Stille hinter uns. Andrea und Diogo aus Brasilien wirkten wie aus dem Nest gestoßen und die müde hungrige Schar bewegte sich gen O Cebreiro.

Zum Glück kam vorher der kleine Weiler La Laguna, der aus einer Kirche, paar Häusern und der ehemaligen Schule bestand, die nun eine Bar beherbergte. Hier wurden die landestypischen Speisen gereicht und wir konnten Kraft für den letzten kräftezehrenden Aufstieg tanken. Der Gipfel tauchte dann schneller auf als erwartet, kurz zuvor hatten wir feierlich die Grenze nach Galicien überschritten.




Die pittoresken runden Steinhäuser, aber auch viele bunte Reklameschilder, die das Schlussradeln nach Santiago anpriesen, wiesen den Ort als touristisches Zentrum aus. Selbst der Wanderweg war säuberlich gekiest.

Doch schon bald stellte sich wieder die alte Pilgerweggemütlichkeit ein. Am Alto San Roque trafen wir staunend auf eine beindruckende Pilgerbronzestatue (unser Bild), die inspirierend genug war, den Weg - bei herrlichem Sonnenschein fortzusetzen. 

Noch einmal steil bergan zum Alto de Poio, mit grandioser Sicht auf den zurückgelegten Weg und seine Berge, aber einer den Standort ohne weitere Gastlichkeit weidlich nutzende Bar, die dort Pilger- und Touristenmassen lieblos abspeiste.

Etwas missgelaunt stärkte ich mich, wieder kamen unsere Mittagsamerikanerinnen Terry und Tess, eine südkoreanische Pilgerin wählte mich für ein Pilgergeschenk aus, verbunden mit der Bitte, ihr einmal zu schreiben.

Der Rummel war uns ein wenig zuviel, aber nun ging es prächtig bergab. Diogo lief eine Weile mit mir und erzählte von seinem Freund, dem Fußballer Marcelinho, einst ein Fußballstar bei Hertha BSC und schaltete eine FaceTime-Session frei, in dem ich den vergessenen Kicker grüßte.

Dann holte ich Thea ein und auf jetzt beschatteten Wegen passieren wir eine 800-jährige Kastanie und erreichten das klangvolle Triacastela.

Heute war ich erschöpft, der Frühstückstischanblick vom Morgen lag  mir wohl noch im Magen und ich hatte wenig Lust noch weiter nach einer Herberge zu suchen. Vielmehr machten wir Bekanntschaft mit den sehr schlichten Systembauten Galiciens, deren Attraktion Schwingtüren in ungünstiger Höhe in Zimmern und Bad waren und wohl auch seit Ersterrichtung nicht mehr geölt worden sind.

Am Abend besuchten wir einen Pilgergottesdienst, vermutlich war es nur die reguläre Abendmesse, aber die Einheimischen blieben in der Unterzahl. Man hörte wiederholt „Camino“, „Santiago“und ich nahm es als Ermunterung.

Im etwas schmucklosen Esslokal speisten wir gut. Thea entdeckte, dass das erste Haus am Platz ein solide aussehender Landgasthof war in dem sie in dieser Nacht gerne genächtigt hätte. Ich dann auch. Unser spanischer Pilgerfreund José saß dort behaglich allein an einem liebevoll gedeckten Tisch und grüßte zu uns rüber. Manchmal hätte ich mir doch die detailreiche Camino-App meines untergegangenen Telefons gewünscht.

Drei Kastelle suchte ich vergeblich in diesem freundlichen Tal. Nachtruhe.

Fazit des Tages: Pilgern ist Arbeit.