Neulich gab es ein Fotoshooting für eine Zeitschriftenstory. Wo ich den über Bücher nachdenke. Hier, antwortete ich und hängte eine Neuerscheinung über die Querstange.
Und hier der geplante Text, eine eigene Stellungnahme:
… und jetzt ein Buch…?!
Die Rolle des Buches in
digitalen Arbeitsabläufen
Vor kurzem sah ich mir eine hochmoderne Anwaltskanzlei
an. Akten, Zeiterfassung, Finanzbuchhaltung und Korrespondenz waren im weiten
Maße automatisiert und entsprachen der Vision eines papierlosen Büros.
Die
Digitalisierung verändert unsere Arbeitsweisen dramatisch
Der Besuch war exemplarisch für Veränderungen, die sich
in vielen Branchen vollziehen und mich als Verleger fragen lassen, welche Rolle
die Fachinformation in diesen papierlosen Prozessen noch haben oder noch haben
werden. Ich überlege, ob ich fürchten muss, dass die meisten Routineaufgaben
bald selbstständig von Programmen bewältigt werden. Was bedeutet dies für meine
Programmarbeit? Welche Rolle wird die gedruckte Information, werden
Fachzeitschriften, Kommentare oder Handbücher noch spielen?
Vor einem Jahr schaute ich mir im Silicon Valley
an der Stanford University die Bildungsgesellschaften der Zukunft an:
Eine hochtechnisierte Umgebung, in der Menschen digital unterstützt lernen und
forschen. Seitdem habe ich mich auch hierzulande mit Blick auf ein verändertes
Informationsverhalten genau umgesehen, um meine verlegerische Arbeit an die
wandelnden Bedürfnisse einer neuen Generation auszurichten.
Die Erkenntnisse waren lehrreich, nicht immer so
dramatisch, wie ich zunächst annahm, und gaben mir auch Anlass zur Hoffnung.
Digitale Lektüre verändert
das Leseverhalten. Die Entlastung von Routineaufgaben durch Programme bedeutet,
dass für die kreativen Teile einer Aufgabe oder eines Projektes in allen
Branchen Zeit gewonnen wird. Auf unserer Kernzielgruppe angewandt bedeutet
dies: Anwälte können eine Vielzahl von Mandaten schon so weit automatisiert vor
bearbeiten, dass sich im Idealfall der Experte intensiver um die individuellen
Rechtsfragen kümmern kann. Hierfür benötigt er weiterhin Fachinformationen.
In schon umgesetzten Programmen zur technischen Lösung
von juristischen Fragen, die ich in den USA sah, waren Fachinformationen
bereits in Programme eingespeist und in der Lage automatisiert Verträge auszuwerten,
Schadensersatzansprüche zu berechnen oder Vertragsentwürfe vorzuschlagen. Die
Information selbst wurde den Programmen aus juristischen Datenbanken
eingespielt.
In allen beratenden Berufen spielt die Suche nach
individuellen Lösungen die tragende Rolle. Die Verlagsangebote bleiben hier als
verlässliche Erkenntnisquelle führend: Das Buch ist der Inbegriff einer
menschlich fassbaren Zusammenstellung aller Aspekte zu einem Thema. Im besten
Fall ist es der Wegweiser, der Orientierung im Übermaß der digitalen
Informationen gibt.
Fachinformation
als Schlüssel zum Verstehen
Auch bei hochautomatisierten Abläufen komme man an einen
Punkt, so einer meiner Gesprächspartner, an dem man die Pausen-Taste drücke,
innehalte und versuche die Information zu ordnen, Konstellationen zu klären und
einer Lösung zuzuführen. »Dann greife ich zum Buch!«.
Als Informationssuchender im Strom der Nachrichten sei
die Lektüre, in der man auf den Buchseiten etwas entdecke, es auf sich wirken
lasse und die gewonnenen Erkenntnisse dann in die Arbeit einfließen lasse, wichtig.
Dies gehöre zu den Augenblicken, mit der höchsten Arbeitszufriedenheit.
Natürlich, so höre ich von
anderer Seite, habe sich durch die alltägliche, digitale Lektüre die
Erwartungen an die Texte verändert. Der Einstieg müsse gefällig, die Gliederung
klar und in dieser Weise der Leser an das vertiefte Lesen herangeführt werden.
Was sich für
Verleger und Verlage ändert
Für meine verlegerische Arbeit bedeutet dies: Bücher
brauchen eine klare Struktur, zeitgemäße Leseeinstiege, die zu kontemplativer
Lektüre einladen. Damit Bücher heute digital sichtbar sind, müssen die Texte
die Schlagworte enthalten, die diese für das Thema als relevant erscheinen
lassen und sie bei Suchanfragen ganz oben landen lasse. Wir geben heute unseren
Autoren bei der Konzipierung von Werken Handreichungen auf dem Weg, die genau
diese Ziele verfolgen.
Aber, so fragt provokant einer meiner Gesprächspartner,
habe das Buch bei tagesaktuellen System überhaupt noch eine Chance? Ja,
entgegne ich und stütze mich hierbei auf Gespräche, die ich in Stanford und an deutschen Universitäten geführt
habe. Das Buch erschließe auch heute noch ein Thema von der Struktur. Es
versetzte den Leser in die Lage, das Aktuelle in den sekundenaktuellen
Suchmaschinen sicher aufzufinden oder besser zu suchen. »Man sieht nur was man
weiß.«, wusste schon Goethe.
Und auch das lerne ich. Selbst wenn das Buch elektronisch
genutzt werde, etwa, weil man interessante Passagen über eine Datenbank
gefunden habe und sich ein Teilkapitel auf seinen Rechner lade oder es für den
Konsum auf elektronischen Geräten als E-Book erworben hat, schwinge die Idee
»Buch«, nämlich die der konzentrierten und abgeschlossenen Darstellung eines
Themas, immer mit. In einer Datenbank schlage man nach, im Buch lese man, denn es
sei im besten Sinne die Mindestausstattung.
Orientierung für den Leser sind die »Marken«, für den
Verlag die »Klick-Zahlen«.
Die bekannte Zeitschrift, das bekannte Werk der
renommierte Autor kann seinen Glanz als »Marke« auch elektronisch verbreiten.
Das elektronische Werk – so mein Eindruck – das in der elektronischen Form
nicht mehr greifbar ist, wird über die Verlässlichkeit
des Namens und die editorische Sorgfalt, die ein Verlag in seiner
elektronischen Produkte legt, »fassbar«. Unser Ziel ist es, das Renommee auch
in die digitalen Angebotsformen mitzunehmen.
Für den Verlag gibt es als Orientierung die Erkenntnisse,
die wir über die digitalen Verbreitungswege aus den »Klick-Zahlen« gewinnen.
Tagesaktuell kennen wir die nachgefragtesten Zeitschriftenbeiträge und sehen,
für welche Bücher, Texte und Kommentierungen sich unsere Nutzer wann und wie
besonders interessieren. Es hilft uns, unser Programm regelmäßig zu justieren.
Die Erkenntnisse sind auch hier eindeutig. Klassische Verlagsangebote werden
auch elektronisch am häufigsten nachgefragt: Kommentierungen, aktuelle
Zeitschriften Beiträge zu gefragten Themen und Handreichungen für die tägliche
Arbeit.
Chance für den
(Fach-) Buchhandel?
Wir glauben, das zeigen die Gespräche, die wir mit vielen
Fachbuchhändlern führen, dass das Buch eine wichtige Stellung als
Orientierungsanker behalten wird. Verändern werden sich aber die
Verlagsprogramme. Ich vermute, dass »juristische Kochbücher« oder Kompilationen
von Rechtsprechung zu bestimmten Themen langfristig gegen juristisch-technische
Programmlösungen keine Chance haben. Kommentare und Bücher, die aktuelle Themen
verständlich erschließen helfen, werden zeitlos bleiben. An Themen mangelt es
neben schon vorhandenen klassischen Angeboten nie. Für RWS wird das zeitgemäß konzipierte
Fachbuch der Ausgangspunkt aller weiteren Informationsangebote sein. Hier nimmt
schöpferisches Arbeiten seinen Ausgang. Aus dem Buch heraus leiten sich alle
maßgeschneiderten Angebote in allen Formen ab. Um diese Energien zu entfesseln
brauchen wir Verlage und Buchhandlungen, die diese Kreativitätsquellen
anbieten.
Hat der Fachverlag
in einer digitalen Arbeitswelt Zukunft?
Fachverlage haben gerade im digitalen Zeitalter Zukunft. Künstliche
Intelligenz kann die kreativen Anteile in der Arbeit absehbar nicht ersetzen.
Programme können eine Vielzahl von Information zwar ordnen, aber nichts
eigenständig Neues schaffen. Den spezialisierten Experten zu gewinnen, mit ihm
eine zeitgemäße Aufbereitung zu verabreden und dies auf allen sinnvollen
Verbreitungskanälen anzubieten, gehört zur Kernkompetenz eines Verlags. Die
technischen Hürden, Fachinformationen so medienneutral aufzubereiten, dass sie
heute in jedwede Systeme eingespielt werden können, ist nicht mehr allzu hoch.
Wenn es gelingt, mit den Erkenntnissen aus digitalen Arbeitsabläufen, wie sie
sich in den Suchanfragen auf unseren Servern abbilden, passgenaue Programme für
unsere Leser anzubieten und unsere Seiten für die tagesaktuelle Arbeit
unverzichtbar zu machen, dann werden die Erkenntnisquellen, die ihren Lesern eine
maßgeschneidertes Beratungsarbeit ermöglichen, weiterhin eine zentrale Rolle
spielen: Als Buch für die strukturierte Orientierung, als Zugang zu einer
juristischen Datenbank für die gezielte Recherche, als passgenaues
Fachinformationsangebot, das sich an die Bedürfnisse anpasst.