Das hat mich schon gefreut, dass mit diesen beiden Schlagworten ein Interview mit mir überschrieben war. Heute im »Buchmarkt « erschienen.
Ist das Thema Plattform-Ökonomie für Fachverlage
tatsächlich neu? Oder ist es nur – etwas salopp gesagt – „neuer Wein in alten
Schläuchen“?
S3uerwald: (lacht) Ach, Überlegungen der Fachverlage zu
gemeinsam genutzten Ökonomien gibt es schon über 20 Jahre, also lange vor
Amazon und Facebook.
2000 haben wir uns damals beim Carl Heymanns Verlag
zusammengesetzt und überlegt, wie Publikation von juristischen
Fachinformationen verknüpft werden können und haben 2001 mit der Verlagsgruppe
Handelsblatt und dem Verlag Dr. Otto Schmidt »Legios« gegründet. Für mich war
das der Startschuss, juristisches Publizieren weiter zu denken. Der Staat war
1985 (!) mit der Datenbank »Juris« sogar Vorreiter und hat innerhalb von
Behörden und Gerichten eine Infrastruktur geschaffen und den Boden bereitet,
die heute mit den Möglichkeiten des Internets so umfassend geworden sind.
Mit dem Aufkommen der Plattform-Ökonomien im Massenmarkt
haben diese ersten Verlagsideen eine Dynamik bekommen, die die althergebrachten
Verlagsstrukturen ziemlich angegriffen haben und zum Aufeinanderprallen von
ganz unterschiedlichen Kulturen geführt haben: Industriewirtschaftsdenken gegen
Netzökonomie.
Was hat sich in den Jahren des digitalen Umbruchs
dabei für Verlage geändert?
S3uerwald: Im Innern gab es viele
Widerstände gegen die Vorstellung, dass sich unser traditionelles Geschäft
durch neue Angebotsformen nach und nach verändert. Gleichzeitig hat die
technologische Entwicklung Fachinformationen zunächst auf lokalen
Speichermedien anzubieten bis hin zu den rasanten Möglichkeiten sie überall
dort anzubieten, wo ein Zugang zum Internet war, rasant. Solange aber das
traditionelle Geschäft mit Büchern noch ausreichend Rendite brachte, blieb das
Augenmerk noch eher auf das bisherige Geschäft gerichtet. Junge, nachwachsende
Programmmacher konnten sich da nur schwer durchsetzen. Auch ich habe diese
Entwicklung nicht so deutlich gesehen, wie sie mir heute in der Rückschau
erscheint.
Beigetragen zu unserer damaligen zurückhaltenden Sicht
haben auch der Umstand, dass die technischen und finanziellen Hürden am Anfang
noch riesig waren. Alles musste individuell programmiert werden und das hat
viele verständlicherweise überfordert. Die Voraussetzungen heute auf den
verschiedensten Kanälen publizieren zu können, haben sich in technischer und
finanzieller Hinsicht enorm vereinfacht und auch kleinen Verlagen die
Möglichkeiten zu modern Angeboten gegeben. Für mich war das auch ein wesentliches
Argument, meine verlegerische Arbeit in einem kleinen, spezialisierten, aber
schnell reagierenden Verlag fortzusetzen.
Ein zusätzlichen Schub hat die ganze Entwicklung
eigentlich dadurch bekommen, dass die sozialen Netzwerke so stark geworden
sind. Das »Teilen« von Beiträgen über verschiedene Plattformen, vor allem aber
Facebook und Twitter hat sich irgendwann auch in Fachkreisen etabliert. Das hat
dann auch eben zu vielen Einzelverkäufen von gefragten Beiträgen und Verkehr
auf unseren Fachseiten geführt und die Möglichkeit der einfachen »Weitergabe«
von gefundenen Informationen in unseren Datenbanken etabliert. Spätestens da
war klar, in diesem Bereich müssen wir aktiver werden und eine Rolle spielen.
Schaut man sich die technische Entwicklung an, ist es
schwer genau zu prognostizieren, wohin die Reise gehen wird. Was lässt sich
aber Ihrer Meinung nach heute schon sicher sagen?
S3uerwald: (schaut nach oben) Wir können alle nicht
hellsehen. Aber die Allgegenwart des Internets und die Möglichkeit, Information
in jedweder Form schnell verfügbar zu haben, ist eine Realität, die sich die
Verlage stellen müssen. Die sogenannte künstliche Intelligenz wird uns viele
Routinen abnehmen. Damit wird auch eine Menge Fachinformationen gleich in
digitalen Arbeitsabläufen landen. Die großen Konzerne arbeiten alle daran. Die
Nachfrage nach Fachwissen wird sich auf die verschiedensten Angebotsformen
verteilen.
Für meine verlegerische Arbeit ist eine Grundfrage
entscheidend: Was unterscheidet den Menschen von der »Künstlichen Intelligenz«?
Alle Fachleute sind sich einig: im Gegensatz zur
»Maschine« ist der Mensch schöpferisch, kreativ, besitzt Empathie und kann
ungeheuer flexibel auf neue Situationen reagieren. Der Zugang der Verlage zu
Fachleuten ist einzigartig. Die Fähigkeit mit diesen Experten, unseren Autoren,
Menschen mit guter Information in die Lage zu versetzen, mit den neuen
Werkzeugen – und Künstliche Intelligenz ist nichts anderes als ein weiteres
Arbeitsinstrument – zurechtzukommen wird die Kernaufgabe der Fachverlage
bleiben.
Ein »fassbare« Darstellung zu einem Thema, das
übergreifend erklärt und die Möglichkeiten der neuen Technologien in die
Überlegungen miteinbezieht, wird seine Stellung auch im größten technologischen
Wandel behalten. Nebensächlich ist es, ob es traditionell in Papier, am
Bildschirm, akustisch oder als elektronisches Buch konsumiert wird. Moderne
(Fach-) Buchhandlungen haben das erkannt und gestalten sich zu Treffpunkten um,
die alle diese Informationswege erfahrbar machen.
Datenbanken als Plattformökonomie sind schon fast wieder
»old school«. Moderne Plattform-Ökonomien werden in digitale Arbeitsprozesse,
die es im rechtlichen Bereich zunehmend geben wird, integriert. Dann wird der
Schriftsatz mit aktueller Rechtsprechung etc. angereichert. Fachwissen wird oft
integrierter Bestandteil des normalen Workflows und keine gesonderte Abfrage in
einer Datenbank sein.
Was die übrige technische Entwicklung angeht, bleibt es
doch spannend zu sehen, was alles noch kommen wird.
Wie sind (Fach-)Verlage für die Zukunft gerüstet?
S3uerwald: Ich glaube, für uns gilt
das, was für alle Branchen gilt: die Bereitschaft, sich dem fortlaufend
verändernden Verhalten unserer Kunden anzupassen. Auf unsere Branche bezogen:
Information müssen wir in menschengerechter Form auch weiterhin in allen Formen
anbieten, Früher war es in erster Linie allein die gedruckte Information, nun
kommen elektronische Bücher, Datenbanken, Legal Tech-Anwendungen oder die
Ausgabe in »schlauen« Lautsprechern hinzu. Unsere Verlagskulturen sollten auch
im Bereich der Programmmacher Strukturen schaffen, dass alle Nutzergruppen
Ansprechpartner finden und geeignete Angebote für Sie entwickelt werden.
Lernbereitschaft und Offenheit gehören immer dazu.