Im Silicon Valley ist kein Ziel zu groß. Die Mondlandung oder eine Reise zum Mars ist das mindeste, was sich jeder Programmierer hier vornimmt. Und natürlich spielt die Garage, und dir diese hochfliegenden Pläne entstehen noch immer eine Rolle.
Nach dem eindrucksvollen Eingangsvortrag von Gillian Hadfield ging es um programmgestützte Urteilsvoraussagen, sogenannter Chatbots als die neuen automatisierten Helfer des Rechts, neue Ausbildungsformen und der Blick auf die Konsumenten und wie dieser den technischen Fortschritt im Recht antreibten.
[Steve Jobs Garage, in der mit Steve Wozniak der Apple 1 entstand]
Urteilsvoraussagen
Aus deutscher Sicht erscheint dies ein wenig utopisch, aber deutlich wird, dass im hiesigen recht alles sehr Daten getrieben ist. Analysiert wird, was an Informationen zur Verfügung steht, aus welchen Quellen auch immer. Programme ermitteln, ob sich der Rechtsstreit lohnt oder nicht. Kann dies dazu führen, dass risikoreiche Prozesse nicht mehr unternommen werden, weil das Programm die Chancen bei 0% sieht?
Schaffen Dialogsysteme einen besseren Zugang zum Recht?
Chatbots werden als neuer Trend im Recht gesehen. Dabei handelt es sich um automatisierte Dialogsysteme, die auf Webseiten eingebaut werden und Zugang zum Recht geben sollen. In einer an Messenger-Dienste oder WhatsApp erinnernden Dialogform können in natürlicher Sprache zu bestimmten Themen Fragen gestellt werden, die das Programm automatisch beantwortet.
Der Kongress bietet einzelnen Programmierern die Möglichkeit, ihre Programme vorzustellen. Die vorbereiteten Demos sind in der Tat eindrucksvoll. Das Spektrum ist weit. Es reicht von einem Visa-Hilfsprogramm für Migranten über eine Anwendung, mit der man sich gegen Strafzettel zur Wehr setzt. Gemein ist allen Anwendungen, dass sie zumindest aus der Sicht der Programmierer den Zugang zum Recht dramatisch vereinfachen und einen zeitgemäßen Zugang verschaffen. Nicht die Auswahl und der Anruf beim Anwalt steht am Beginn, sondern das unverbindliche Eingeben der Fragen auf einer Webseite, die in der Regel dann aber in zu bezahlenden anwaltlichen Rat mündet.
Eines wird an diesem Nachmittag deutlich. Programme dieser Art verändern unsere Einstellung zum Recht. Und auch wenn man einzelne Anwendungen putzig findet, so werden sie doch Realität werden und zwingen die Rechtsdienstleister zu Veränderungen.
Es fehlt nicht an kritischen Stimmen. Insbesondere der Verbraucher wisse gar nicht, wem er viele notwendige private Daten in diesem »Fragespiel« anvertraue und wo diese Informationen am Ende landen. Die lebhafte Diskussion zeigt, dass diese Gefahr auch im technikfreundlichen Amerika gesehen.
Die Zukunft des Lernens
Margaret Hagan, die uns zwei Tage zuvor durch die d.school führte, weiß auch hier das Publikum mit ihren interdisziplinären Ansätzen des »Design Thinking« zu begeistern. Sie erläutert, wie man in der verwirrenden Vielfalt der Informationen Muster entdeckt und Lösungskonzepte entwickelt. Juristen mit Techniken vertraut zu machen, die traditionell nicht gelehrt werden, ist der zentrale Ansatz.
Futurelaw und Alltag
Auf dem Podium sitzen Vertreter aus großen Anwaltskanzleien, eine Justiziarin von Google und eine von Microsoft. Erstaunliches ist zu hören. Selbst in diesen hochtechnisierten und fortschrittlichen Ingenieursunternehmen und Softwareschmieden muss Wissensmanagement und Arbeitsabläufe mühsam nach aktuellen technischen Standards organisiert werden. Dem Zuhörer scheint es, als seien auch in diesem hochentwickelten Unternehmen Juristen eine eigene Gruppe, die von den Veränderungen unberührt zu bleiben scheint. Das empfinde ich auch als Trost, denn als Besucher dieses Fleckchens Erde hat man manchmal das Gefühl in Europa in einen Paris von Marcel Proust zu leben, während hier bereits ganz natürlich elektrisierte und selbstfahrende Autos unterwegs sind, eine hochtechnisierte Jura-Maschinerie und Fortschrittspläne erdacht werden, die bei uns undenkbar erscheinen.
Aber nein!, auch hier wird Wasser traditionell erhitzt und schaut man sich unter den Teilnehmern der deutschen Delegation um, so trifft man auch hier auf einige sehr kluge Programmierköpfe mit juristischem Hintergrund.
Stanford, 6. April 2017

