Meine Nacht in der überdimensionierten Kabine eines Campingplatzes ist kurz. In Finnland geht die Zeit im Vergleich zu Schweden eine Stunde weiter, und an meiner frühen Startzeit möchte ich nichts ändern. Rasch ist alles vorbereitet, die Kabine zugeschlossen, und ich versorge mich im nahen Supermarkt für den Tag. An warmen Kaffee ist noch nicht zu denken – er fehlt mir.
Ich verlasse die Stadt, und bald wendet sich der Weg Richtung Norden. Zum ersten Mal kommt der Wind aus nördlicher Richtung, was mir ganz ungewohnt erscheint. So quäle ich mich den ersten Weg hoch, gelange aber bald an die Ufer des Kitinen. Die Sonne scheint hervor, und gleich wird es einige Grad wärmer. Ich habe mich darauf eingestellt, unterwegs keinerlei Einkehrmöglichkeiten zu haben und erst in großer Entfernung nachladen zu können.
So überrascht mich das Hinweisschild auf ein Café, denen dann an pittoresken Stellen in bunter Folge am Wegesrand weitere folgen und die willkommene Einkehr bieten. Ich nutze gleich das erste und habe im Inneren einen wunderbaren Platz mit Blick auf den See. Ich esse Blaubeerkuchen und trinke dazu einen Pappbecher Kaffee. Der Kaffee wird üblicherweise nicht frisch gebrüht, sondern steht auf einer Warmhalteplatte zum Selbereingießen. Das alles ist sehr zweckmäßig, reicht aber aus, um meine Lebensgeister zu wecken.
Die Fortsetzung der Fahrt fällt mir um einiges leichter, auch dreht der Wind aus allen Richtungen und unterstützt meine Fahrt. So geht es dahin. Von anderen Mitfahrern werde ich gelegentlich überholt, aber wir kennen das Spiel: Pausen, Überholen, Pausen – und am Ende landen wir am selben Ort. Der Vormittag ist schön und gibt mir eine Ahnung von der weiter verschlungenen Route, die ans Ende des Kontinents führt.
Zwischendurch werde ich von einem Schauer überrascht. Nach einer langen Abfahrt geht es in ein ganz neues Gebiet: den Inari-See. Die Straße scheint sich durch ihn hindurch zu winden, aber im See selbst befinden sich viele Inseln, sodass es wie ein riesiges Wasserlabyrinth wirkt – einfach wunderschön! Doch dann verdunkelt sich schlagartig der Himmel, und von oben läuft das Wasser in Strömen herunter.
Ich gelange gerade noch zu meinem Zielort Inari, muss aber eine Weile ausharren, bis ich zu meinem Hotel gelange. Dort scheint nun wieder ein düsterer finnischer Regisseur das Kommando übernommen zu haben. Im wenig anheimelnden Ambiente versuche ich, tropfnass mich selbst und mein Fahrrad zu pflegen. Schon scheint die freundliche Stimmung aus dem ersten Café verflogen, kehrt aber in der Erinnerung noch einmal umso strahlender zurück.
Sie ist bislang der Höhepunkt meiner Begegnung mit Finnland. Das Land hat landschaftlich viel zu bieten, aber die Akkuratesse der Schweden fehlt. Und doch gehört dieses Wechselspiel der Stimmungen dazu – sie machen jeden Tag einzigartig. Nun stehen noch zwei große Fahrtage vor mir. Das Ziel scheint nah. Dazwischen liegt eine ungünstige Wetterfront, die zumindest den morgigen Tag anstrengend gestalten könnte. Aber lassen wir uns überraschen – so wie mich am Ende des Tages jeder auf eine andere Weise berührt.