Freitag, 8. August 2025

Komplette Kontemplation und Spektakel zum Schluss Tag 9 von Northcape 3000 von Lycksele nach Älvsbyn



Ich habe eine schöne Nacht in meinem ferngesteuerten Hotel. Das Zimmer sieht aus wie aus der Ikea-Musterkollektion und bietet auf engstem Raum alles – nur kein Frühstück. Das haben sie gleich an die einzige Bäckerei delegiert. Weil es hier früh hell ist, hat die Bäckerei auch um fünf auf. Als ich um sieben Uhr den Bäckerladen betrete, sitzen fünf Handwerker bereits bei der Mittagspause. Alle Telefone vor sich liegen, einen dampfenden Kaffee, heben den Arm und sagen: 



Hei Markus! Auf dem Tracker verfolgen auch sie, wer in ihrer schönen Stadt zu Gast ist. Ich bekomme die Hoteltüte mit Brötchen und einem Kaffee gereicht und packe noch gleich zwei belegte Brötchen für die Fahrt ein. Dann setze ich mich zu ihnen. Dass man schon hier oben im Norden immer noch bewundernd auf die Menschen schaut, die noch weiter in den Norden fahren, ist irgendwie schön. Nettes Gespräch über das Dasein im Sommer und im dunklen Winter und die Zerstreuungen mit dem Snowboard.


Dann mache ich mich auf den Weg. Nach den vergangenen wärmeren Tagen bin ich über die Kühle außerhalb der Stadt überrascht, halte an und ziehe mein Wintertrikot an. Jetzt ist es mollig warm, und über einsame Straßen geht es zum zweiten Frühstück ins 80 Kilometer entfernte Norsjö. Ja, so ist das hier mit den Distanzen. Kaum passiere ich das Ortsschild, bricht die Sonne hervor und erwärmt alles so, als seien die verstreuten Ortschaften kleine Lagerfeuer in der Einsamkeit. Schnell ist der Korb voll, aber auch schnell ist alles auf die verschiedenen Taschen verteilt. Übrig bleibt, erstmals probeweise, ein kalter Kaffee Latte, gekühlt, und eine Packung Joghurt zum Sofortverzehr. Dann geht es weiter.


Die Landschaft wird ein wenig karger, und außer den ewig langen Holztransportzügen und Bautrucks, die Kies und Sand umherfahren, nichts. Bleibe ich stehen, überholt mich nach kurzer Zeit ein Radler mit demselben Ziel – aber so überholen wir uns täglich immer wieder, und seit Tagen ist die Gruppe wieder neu zusammengesetzt: Fabienne aus Straßburg, Simon aus England, Olli aus Berlin. Das Fahren fällt leicht. Es ist schon geradezu kontemplativ. Manchmal ist es so schön, dass ich weine. Das passiert ja sonst auch nur auf dem Jakobsweg.


Und dann steht es vor mir: quer auf der Straße ein Rentier, das mich anschaut wie ein Monchhichi, ganz gelassen. Als ich mich nähere, verschwindet es langsam im Grün. Wenig später ein Pärchen, das auch eine Weile neben mir her trottet, ehe es verschwindet. Und noch einmal wenig später wieder zwei Rentiere, die in Schlangenlinien vor mir herlaufen, ehe sie nach links verschwinden. Ich bin wirklich überwältigt. Dabei gehöre ich nicht zu den Menschen, die bei Tieren gleich „süß“ rufen.


Die Abendsonne senkt sich, aber so richtig auch nicht. Sie ist immer irgendwie präsent, und es dauert nicht mehr lange, dass sie gar nicht mehr untergeht. Alles liegt im milden Licht. Auch meine Stimmung. Ich fahre durch Landschaften, von denen ich meine, dass ich sie mir zuletzt in meiner Kindheit vorgestellt habe.



Schließlich erreiche ich meinen Zielort – und dort etwas oberhalb den Campingplatz. Auch er könnte, so wie ich ihn betrete, 1960 nicht anders ausgesehen haben. Neben den Zeltplätzen gibt es fünf feste Blockhütten im schönen schwedischen Stil direkt am See. Eine habe ich für mich allein gemietet, gegen einen kleinen Aufpreis. Andere Mitfahrer waren diesbezüglich etwas robuster unterwegs und streiten sich darüber, wer oben oder unten im Stockbett schläft. Der nahe See ist idyllisch und ein Anziehungspunkt für die Mücken, die ich doch bislang vermeiden konnte. Also schnell einmal im Sprühnebel von Antibrumm untertauchen. Riecht nicht gut, scheint aber zu helfen.



Ein schöner Tag, der mit einer persönlichen Begrüßung begann, viel innerer Einkehr und einem Rentierspektakel und Campingidyll endete. Was will man mehr?